EURATOM fördert Atomkraft

Was ist Euratom?

EURATOM ist ein Kürzel für die Europäische Atomgemeinschaft. Sie besteht seit 1957 und ihr Ziel ist – wie es im EURATOM-Vertrag, einem der 3 Gründungsverträge der Europäischen Union, seit 1957 unverändert heißt – [...] die Voraussetzungen für den raschen Aufbau einer mächtigen europäischen Atomindustrie zu schaffen [...].

Durch den EURATOM-Vertrag wird die Atomenergie gefördert, bevorzugt und geschützt – und das auf einer gesetzlichen Ebene, die dem eines Verfassungsrangs gleichkommt. Der Vertrag ist dem allgemeinen EU-Vertrag (EUV) und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht untergeordnet, sondern als Annex (=Anhang) gleichsam ergänzend zur Seite gestellt.
Die Atomindustrie ist dadurch seit 1957 von den Regeln des freien Wettbewerbs ausgenommen und genießt ohne Einschränkung die Vorteile eines wirtschaftlich geschützten Bereichs. Aus dieser besonderen Stellung des Vertrags ergeben sich äußerst problematische Konsequenzen – aus zukunftsperspektivischer aber auch aus demokratiepolitischer Sicht:

  • Das Europäische Parlament hat in allen Belangen im Umgang mit Radioaktivität keine Mitentscheidungskompetenz. Allein der Europäische Rat, also die Vertreter_innen der einzelnen Staaten sind entscheidungsberechtigt.
  • Der Vertrag sieht kein Ablaufdatum vor.
  • Der Europaweite Atomausstieg wird eklatant erschwert, weil sämtliche Atomstaaten sich darauf berufen können, mit Bau und Betrieb von AKW den übergeordneten Zielen der Europäischen Union zu entsprechen.
  • EURATOM fördert seit über 60 Jahren die Atomindustrie mit Milliardenkrediten, Subventionierungen von AKW-Neubauten können mit dem EURATOM-Vertrag argumentiert und erlaubt werden, zum Beispiel bei den AKW-Neubauten Hinkley Point C und Paks.
  • Der zügige Ausbau von Erneuerbaren Energien wird massiv behindert, da es der Atomkraft erspart bleibt, in Konkurrenz zu allen anderen Energieversorgern treten zu müssen.
  • Einige wichtige Regelungen, wie z. B. die zu Laufzeitverlängerungen von Atomreaktoren fehlen im EURATOM-Vertrag. Auch zur Sicherheit von AKW trägt EURATOM nichts Wesentliches bei, da die entsprechenden Kompetenzen den jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden überlassen werden.
  • Eine umfassende Revision des EURATOM-Vertrags wird seit Jahren verweigert und auf Grund des nötigen Einstimmigkeitsprinzips wohl auch nur äußerst schwer zu erreichen sein.
  • Österreich ist trotz seinem Nein zur Nutzung der Atomenergie Mitglied bei EURATOM und zahlt - also genau genommen wir Steuerzahler_innen - viele Millionen Euro jährlich für die Atomindustrie mit. Wieviel genau, darüber war seit 2004 keine Regierung bereit, Rechenschaft abzulegen. Die damals kolportierte Summe lautete 40 Millionen Euro jährlich. Seither wurde das europäische Gesamtbudget für EURATOM vervielfacht, es ist also davon auszugehen, dass dies für den österreichischen Beitrag ebenso gilt.

Unser Ziel

Wir kämpfen daher seit Jahren für eine Abschaffung oder zumindest Totalreform des EURATOM-Vertrags aus 1957 und eine Neuordnung der Energiepolitik für Europa. In einer Resolution zur Auflösung von EURATOM aus dem Jahre 2017 ist es uns gelungen, einen Konsens unter den meisten Antiatom-Organisationen Österreichs herzustellen.
Seither konnten auch Initiativen aus weiteren europäischen Staaten für die Forderung begeistert werden. Die Resolution wird laufend in anderen Ländern für die spezifischen nationalen Voraussetzungen angepasst und weiterverfolgt.

Auch wenn wir die umfassendere – weil europäische – Lösung der Abschaffung von EURATOM eindeutig bevorzugen, bleibt in Konsequenz einer Ablehnung dieser EURATOM-Resolution für uns stets auch ein einseitiger Ausstieg Österreichs aus EURATOM diskutabel!

Unsere Vorgänger-Organisation, die ‚OÖ Plattform gegen Atomgefahr‘ thematisierte bereits im Vorfeld der Volksabstimmung über den EU-Beitritt Österreichs 1994 die problematische Mitgliedschaft Österreichs bei EURATOM – die quasi automatisch mitgekauft wurde durch den Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft.

Um die Diskussion über diese inakzeptable Mitgliedschaft neu zu befeuern, starteten wir 2006 eine groß angelegte Informationskampagne – mit der Kernforderung RAUS AUS EURATOM. Mit dieser Kampagne, die in ein Volksbegehren im Jahr 2011 mündete, konnte ein hoher Wissensstand in der breiten Bevölkerung erreicht werden.

Chronologie einer Kampagne

  • 2006 startet atomstopp gemeinsam mit 4 anderen Organisationen die Kampagne „Raus aus EURATOM“: Global 2000/Friends of the Earth, Greenpeace Österreich, dem Umweltdachverband sowie der Salzburger Plattform gegen Atomgefahren.
  • Ebenfalls seit 2006 starten beim Linz-Marathon viele Läufer_innen für atomstopp unter dem Motto "Raus aus EURATOM - für den europaweiten Atomausstieg".
    Dabei sticht nicht nur das sonnengelbe atomstopp-Laufshirt aus der Menge hervor, sondern auch besonders kreative Läufer_innen, wie unser langjähriger Obmann-Stellvertreter Hans-Jörg Horky, der den Marathon auch schon als "gelber Ritter" gelaufen ist. In den letzten Jahren mischen sich unter die rund 50 Läufer_innen auch immer mehr junge Sportler_innen. Bis zu 100 Läufer_innen treten jährlich für atomstopp beim Marathon an.
  • 2007 besucht eine Gruppe von atomstopp-Aktivist_innen den Wiener Opernball, natürlich mit passender gelber Ballrobe, Schärpen und Stolen mit "Raus aus EURATOM"-Applikationen versehen .
  • 98 Organisationen schließen sich letztlich der Kampagne an.
  • Auf Initiative von atomstopp verabschieden alle 9 Landtage und im Laufe der Jahre 325 Gemeinden Resolutionen an die Bundesregierung mit der Forderung, die Mitgliedschaft Österreichs bei EURATOM zu beenden.
    Die Oppositionsparteien stehen geschlossen dahinter, auf Landes- und Kommunalebene auch viele Gremien. Allein stur bleiben die Regierungsfraktionen SPÖ und ÖVP auf Bundesebene.
  • 2009 startet atomstopp das EURATOM-Volksbegehren mit vielen verschiedenen Aktionen, wie einer EURATOM-Tour durch Österreich, den "1.000 Gipfeln", ... um so für die Unterzeichnung der nötigen 8.032 Unterstützungserkärungen zu werben.
  • 2011: Eintragungswoche zum Volksbegehren vom 28. Februar bis 7. März.
    98.678 Personen unterschreiben, 5 Tage nach Ende der Eintragungsfrist sieht man sich weltweit mit den Folgen des nächsten Super-GAUs konfrontiert: Fukushima. Obwohl die nötigen 100.000 Unterschriften knapp verfehlt wurden, wird das EURATOM-Volksbegehren – sogar mehrmals – im Nationalrat behandelt.

EURATOM bleibt auch in den Folgejahren unser Dreh- und Angelpunktthema. EURATOM-Entscheidungen im Europäischen Rat werden genau und kritisch verfolgt, mit Pressearbeit, Petitionen und Appellen können Druck erzeugt und Akzente gesetzt werden. Als Erfolg im Niederschlag auf die Politik darf u. A. gewertet werden, dass im Regierungsabkommen 2017 erstmals auf die Agenda gesetzt wird, den EURATOM-Vertrag offensiv in Frage zu stellen und eine Veränderung anzustreben. Auch im aktuellen Koalitionsabkommen aus 2019 ist dies erneut verankert. Die Handschrift von atomstopp kann nicht verleugnet werden, die Ausformulierung ist Insidern zufolge eindeutig auf unsere langjährigen Forderungen zurückzuführen.

2017 organisiert atomstopp die Nuclear Energy Conference unter den Titel "1957-2017: EURATOM – Atomindustrie gefördert, privilegiert, geschützt - 60 Jahre sind genug!"
Bei der Konferenz wird auch eine gemeinsame EURATOM-Resolution vorgestellt und verabschiedet. Ab 2018 entwickelt sich in der Folge eine mittlerweile internationale Kampagne zur Auflösung von EURATOM – vorrangig in deutschsprachigen Ländern, jedoch auch aus Frankreich gibt es kräftige Zeichen. Weitere Staaten sollen folgen.

Mit der immer stärker werdenden Debatte zum Klimawandel und den Klimaprotesten 2019 werden leider auch die Stimmen lauter, die die angeblich CO2-neutrale Atomkraft als Klimaretter anpreisen wollen. atomstopp verstärkt die Aktivitäten zum Thema "Klimawandel und Atomkraft". Auch hier, egal wie man es dreht und wendet, ist EURATOM der Knackpunkt für das Wiederaufflammen der Atom-Ambitionen in Europa.

Mehr Informationen


EURATOM schützt und fördert seit über 60 Jahren die Atomindustrie und behindert Erneuerbare Energien. Wir fordern eine Auflösung oder zumindest Totalreform des EURATOM-Vertrags!

Ja, aber...

Argumente aus dem Vorfeld des EURATOM-Volksbegehrens, um Zögerlichkeiten und Bedenken gegen einen Ausstieg Österreichs aus EURATOM entgegen zu treten.

  • Ja, aber dann können wir doch nicht mehr mitreden.
    Falsch: Die österreichischen Politiker_innen sind in der Atompolitik Europas ziemlich einflusslos - und wenn sie mitreden könnten, tun sie es leider nicht!
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  • Ja, aber die EURATOM-Mittel werden doch für die Sicherheit von Atomkraftwerken und zur Abfallentsorgung verwendet. An neuen Atomreaktoren wird auch nicht geforscht.
    Falsch: Nur 2% der EURATOM-Kredite wurden für die Abfallentsorgung aufgewandt. Das Land, das in der Vergangenheit am meisten an EURATOM-Krediten erhalten hat, hat heute die größte Anzahl an Atomkraftwerken!
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  • Ja, aber rechtlich ist ein Ausstieg ja gar nicht möglich.
    Falsch: Die realistische Kündigungsfrist für den Ausstieg: 2 Jahre!
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  • Ja, aber ohne EURATOM wird der Strahlenschutz nicht mehr geregelt.
    Falsch: Vor dem EU-Beitritt - ohne EURATOM - hat es in Österreich strengere Strahlenschutzbestimmungen gegeben.
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Zum Lesen klicken: atomstopp Magazin zum Thema EURATOM (Nuclear Energy Conference 2017)

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